„Ein Trauma ist die am meisten vermiedene, ignorierte, verleugnete, missverstandene und unbehandelte Ursache menschlichen Leidens.“
Peter A. Levine
Von einer Traumatisierung spricht man, wenn die Sinnesreize, welche von außen auf uns einwirken so stark sind, dass unser Gehirn mit der Verarbeitung des Erlebten überfordert ist. (Nach Levin: Zu viel, zu schnell zu plötzlich). Wobei nicht jeder der ein traumatisches Erlebnis hatte auch traumatisiert sein muss. Das liegt in der individuellen Verarbeitung des Erlebten durch die einzelne Person. Doch was genau bestimmt, ob wir ein Erlebnis als „Stressmoment“ erleben oder ob wir in die Traumatisierung gehen?
Wie wir auf die gegebene Situation reagieren, bestimmen wir nicht rational. Es ist der angeborene Überlebensreflex eines Menschen und nicht steuerbar. Bei einem traumatischen Erlebnis wird unser Gehirn mit Stresshormonen überflutet. Die Zusammenarbeit zwischen der Amygdala und dem Hippocampus ist gestört. Gefühlszustände, Bilder und körperliche Reaktionen werden in der Amygdala gespeichert, das vollständige Zuordnen des Erlebten im Zusammenhang mit der äußeren Realität kann im Hippocampus jedoch nicht stattfinden.
Schaltet unser Körper nach dem traumatisierenden Erlebnis in den „Normalmodus“, das heißt unser Nervensystem beruhigt sich, die Vitalwerte stabilisieren sich, die Atmung beruhigt sich, etc., kann das Erlebte in unser Großhirn integriert werden. D.h. sehr vereinfacht gesagt, wir können das Erlebte verstehen und einordnen, emotional verarbeiten und unter „das war“ ablegen. D.h. wir können uns im Nachhinein an das Ereignis erinnern und werden dabei nicht von unseren Emotionen übermannt.
Von einer Traumatisierung spricht man, wenn wir genau dies nicht können. Das erlebte war für unser System so überwältigend das wir es abgespalten haben oder nur fragmentiert gespeichert haben. Das heißt wir erinnern uns gar nicht mehr oder haben nur verzerrte oder bruchstückhafte Erinnerungen an das Erlebte. Dieser von unserem Gehirn automatisch ausgelöste Mechanismus dient unserem Überleben. Wir drücken das Erlebte so weit weg, dass wir wieder genug Energie haben, im hier und jetzt zu überleben. Doch wird die „Wunde“ zukünftig berührt, d.h. werden wir von außen getriggert und an das traumatische Erlebnis erinnert, reagieren wir oftmals unbewusst heftig. Wir greifen an, ziehen uns zurück oder erstarren erneut.
Welche Umstände können Trauma auslösen?
Es gibt Umstände, die würde wohl fast jeder als traumatisch bezeichnen. Es gibt aber auch Ereignisse die subtiler daherkommen und welche wir nicht direkt oder indirekt mit einer möglichen Traumatisierung in Verbindung bringen.
Offensichtliche Ursachen eines Traumas:
Krieg
sexueller Missbrauch
Schwere Vernachlässigung im Kindesalter
Körperliche und seelische, rituelle Gewalt
Vergewaltigung
schwere Unfälle, Verletzungen oder Krankheiten
Subtilere Ursachen eines Traumas
Kleinere Unfälle
Invasive medizinische Behandlungen
Stürze/Verletzungen vor allem im Kindesalter
Naturkatastrophen
Krankheiten
Aufwachsen mit sucht- oder psychisch erkrankten Eltern
Geburt für Mutter und Kind
Als Säugling/Kind allein gelassen werden
Anhaltende körperliche Ruhigstellung durch einen Gips, Schiene oder auch Isolation
Je nach Ursache werden Traumata in unterschiedliche Arten eingeteilt
Schocktrauma
Das Schocktrauma ist meist ein einzelnes massiv erschreckendes Ereignis. Es ist ein einmaliges, unerwartetes und aus heiterem Himmel eintretendes Traumata. Von einem Schocktrauma spricht man z.B. bei: Schwerer Krankheit oder Verletzung, einem gewaltsamen Übergriff, einem traumatischen Verlust, ....Da es meist ein einmaliges Ereignis ist, hat das Trauma keinen Einfluss auf die Persönlichkeit des Betroffenen, kann aber massive seelische und körperliche Auswirkungen haben.
Entwicklungstrauma Das Entwicklungstrauma hat seinen Ursprung meist in der frühen Kindheit. Es wird durch negative Erfahrungen, welche über einen längeren Zeitraum auf den Menschen einwirken ausgelöst und ist oftmals damit verbunden, sich niemals wirklich sicher zu fühlen. So z.B. bei Vernachlässigung, psychischer, sexueller und/oder körperlicher Gewalt. Ein Entwicklungstrauma greift meist in die Persönlichkeitsstruktur und Entwicklung eines Menschen ein. Oftmals führen Entwicklungstraumata zu Bindungstraumata und sind komplexer d.h. vielschichtiger. In diesem Zusammenhang spricht man auch oft von einer Komplextraumatisierung.
Von Sekundärtrauma spricht man, wenn Menschen ein Erlebnis aus der Position des Beobachters hatten. Es betrifft Sie nicht direkt, löst aber trotzdem ein Trauma aus. Wie z.B. der Beruf des Arztes, der Krankenschwester oder des Sanitäters, Kinder welche die Gewalt an einem Familienmitglied beobachten, Psychotherapeuten, …
Man spricht zudem vom generationsübergreifendem Trauma. Wie z.B. die Traumafolgen eines Krieges sich auf die gesamte Bevölkerung auswirken sowie von sozialem Trauma, welches ganze Völkergruppen betrifft.
Welche Umstände zur Traumatisierung geführt haben, spielt eine sekundäre Rolle. Wichtig ist, das Trauma zu erkennen, anzuerkennen und schnellstmöglich zu integrieren.
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